1951 bis 2009


Der "alte" Wiener Madrigalchor

Damals, im Jahre 1951, gab es im Grunde genommen keinen Bedarf an einem zusätzlichen Chor.  Alle Pfarren hatten ausgezeichnete Chöre unter kompetenter Leitung, und das galt insbesondere für die Pfarre Ober St. Veit. Aber vermutlich war genau das der fruchtbare Boden, auf dem mit jugendlicher Begeisterung Außergewöhnliches gedeihen konnte. Jedenfalls gab es ab 10. September 1951 neben dem traditionellen Kirchenchor auch einen Ober St. Veiter Jugendchor. Der 18-jährige Xaver Meyer hatte ihn gegründet - ermutigt von Freunden und ausgestattet mit gehörigem musikalischen und pädagogischen Rüstzeug.

 

Die Mitgliederzahl wuchs genauso wie die Anzahl und die Schwierigkeit der Chorlieder. Der Tenor konnte bald sehr hoch, und der Bass in der Person des Clemens Papak „abgrundtief“ geführt werden. Noch im Gründungsjahr brachte der Zusammenschluss mit dem Chor der Pfarrjugend Hietzing weiteren „stimmlichen“ Zuwachs für den fortan als „Chor der Katholischen Jugend von Ober St. Veit und Hietzing“ auftretenden Klangkörper. „Wir wollen ja nicht hoch hinaus: Von Herzen wollen wir musizieren ...!“ Der zweite Teil dieser Feststellung in den Ober St. Veiter Pfarrnachrichten vom 1.12.1952 gilt gewiss bis heute, der erste aber keineswegs. Ein Sieg bei einem Wiener Wettsingen und eine erste Konzerttournee an den Attersee zeigten schon in der 2. Saison, dass hier ein respektabler Konzertchor heranwuchs. Und richtig: Auftritte im Wiener Konzerthaus, Aufnahmen im Österreichischen Rundfunk, weitere Siege bei Wettbewerben wie z. B. dem österreichischen Bundesjugendsingen in Salzburg und die erste Auslandstournee überzeugten eindrucksvoll.

Kammersänger Anton Dermota, ebenfalls Ober St. Veiter, war der erste namhafte Künstler, der bei Konzerten des Chors mitwirkte. Das steigende Renommee führte bald zu einer langen Liste. Es folgten Konzert auf Konzert, Reise auf Reise und die Kritiker waren hingerissen. Trotz allen Ruhmes jedoch blieb Ober St. Veit die „Heimatkirche“ und war Schauplatz unzähliger Messen, Hochzeiten, Konzerte, „Rendezvous im Pfarrgarten“, Dreikönigssingen etc., die der Chor künstlerisch prägte. Ein Bericht im Kleinen Volksblatt über ein Ereignis vom 20. Juli 1958 war aus Ober St. Veiter Sichtweise aus zweierlei Gründen bemerkenswert: Erstens wurde darin mit einer dem alten Chiavacci durchaus ebenbürtigen Feder die letzte Fahrt der Straßenbahnlinie 158 (die ja durch Busse ersetzt wurde) geschildert. Und zweitens wurde über einen Chor berichtet, der für die Stimmung bei dieser „schönen Leich“ sorgte. Es war „unser“ Chor, der zu diesem Zwecke bereits mit seinem neuen Namen genannt wurde: „Madrigalchor St. Veit“. Dieser Name entsprach dem damaligen musikalischen Schwerpunkt und wurde offensichtlich auch dem Alter der Musiker gerechter als der alte - schließlich waren sie dem „Mädchen- und Knabenalter“ längst entwachsen. 1964 wurde dann mit „Wiener Madrigalchor“ der endgültige Name gefunden.

Was als amateurhafter Singkreis im Jahre 1951 begann, entwickelte sich unter der künstlerischen Leitung von Xaver Meyer zu einem respektablen Konzertchor. In den fast 60 Jahren seines Bestehens brachte der Madrigalchor Wien sämtliche große Werke der Chorliteratur von der Renaissance und Barock über Klassik und Romantik bis zur Moderne auf die Bühne – darunter „Matthäus-Passion“ (Bach), „Messias“ und „Judas Maccabaeus“ (Händel), „Paulus“ und „Elias“ (Mendelssohn-Bartholdy), uvm.

 

Neben den rund 100 Auftritten im Wiener Musikverein und Wiener Konzerthaus wurden zahlreiche Konzertreisen in alle Bundesländer und sämtliche europäische Länder unternommen – etwa in die Schweiz und nach Israel, in etliche Staaten zwischen Norwegen und Italien, zwischen Spanien und Russland. Schöne Aufführungen gelangen dem Wiener Madrigalchor u.a. an der Seite der Wiener Philharmoniker und Wiener Symphoniker, der Wiener Sängerknaben, des RSO Wien und des Tonkünstlerorchesters NÖ.

 

In zwei letzten Auftritten mit dem Wiener Madrigalchor am 9. und 18. Juni 2006 verabschiedete sich auch Dr. Xaver Meyer vom Ober St. Veiter Publikum. Ihm folgte Ricardo Luna als künstlerischer Leiter. Wenige Jahre später, im 20. März 2009, beendete der Wiener Madrigalchor seine künstlerische Arbeit. Ein Teil der Chormitglieder führt die Tradition des Klangkörpers seit April 2009 als Neuer Madrigalchor fort.

 

Am 3. September 2017 verstarb Dr. Xaver Meyer im Alter von 85 Jahren.